Wunde und geeignete Wundpflege

November 20, 2014

In der Hausarzt-Praxis sind wir häufig mit Wunden konfrontiert und oft damit beschäftigt. Es gibt verschiedene Arten von Wunden: die körperlichen, die seelischen und die psychischen. Hier werden nun die physischen bzw. körperlichen Wunden illustriert.

Eine Wunde ist die Trennung des Gewebezusammenhangs an äusseren oder inneren Körperflächen mit oder ohne Gewebeverlust. Ausgehend von den Entstehungsursachen unterscheidet man traumatische, iatrogene und chronische Wunden.

Traumatische Wunden sind beispielsweise:

  • Schürfungen, Schnittwunden, Platzwunden, Quetschwunden, Bisswunden, Blasen oder Risswunden
  • Verbrennungen, Stromverletzungen oder Strahlenschäden

Iatrogene Wunden sind Hautdefekte, welche vom Arzt zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken gezielt verursacht werden wie z. B.:

  • Operationswunden, Amputationen, Spalthautentnahmen oder Punktionen

Chronische Wunden zeigen über mehrere Wochen keine Heilung, wie z. B.:

  • Diabetisches Fuss-Syndrom
  • Dekubitus, Druckstellen, ulzerierte Tumore
  • Ulcera (Geschwüre) aufgrund einer Durchblutungsstörung
  • Infizierte Wunde nach Operationen oder Verletzungen

Wichtig ist auch die Topografie (die Lage) der Wunden. Innere Wunden gibt es bei Schuss- oder tiefen Stichwunden durch Waffen oder nach Unfällen mit Organverletzungen. Die meisten Wunden, welche wir in der Praxis zu sehen bekommen, sind sogenante äussere Wunden.

Wundheilung

  • Der Organismus besitzt die Fähigkeit, entstandene Hautdefekte eigenständig wieder zu reparieren. Es gibt somit eine
  • Primäre Wundheilung: dabei lassen sich die Wunden durch eine Naht, durch Klammern oder Wundkleber verschliessen (Operationswunden)
  • Voraussetzungen für eine primäre Wundheilung sind glatte Wundränder, minimaler Gewebedefekt, gut durchblutetes Gewebe, Abwesenheit von Fremdkörpern, Hämatomen und/oder Wundinfektionen.

Eine primäre Wundheilung kann stattfinden, sofern diese Wunden innerhalb von sechs bis max. zwölf Stunden versorgt werden.

Sekundär heilende Wunden sind solche, bei denen die Wunde nicht primär verschlossen werden kann, wie z. B.:

  • Mit Fremdkörpern verschmutzte Wunden, infizierte, eiternde Wunden
  • Wunden, bei denen ein spannungsfreier Wundverschluss nicht möglich ist
  • Wunden mit zerfetzten Wundrändern

Wichtig zu wissen ist, dass es verschiedene Wundheilungsphasen gibt:

  • Exsudationsphase, Reinigungs-, Inflammations- oder Entzündungsphase: Dabei wird ein Fibrinnetz gebildet, welches ein Verkleben aneinanderliegender Wundränder ermöglicht. Klares Wundsekret, welches aus Serum besteht, ist mit Entzündungszellen durchsetzt. Diese Phase sollte nicht länger als ein bis drei Tage dauern.
  • Proliferationsphase, Granulationsphase: Durch die Bildung (Proliferation) von neuem Bindegewebe wird der Wunddefekt zunehmend aufgefüllt. Es entsteht somit das sichtbar grob gekörnte Füllbindegewebe (Granulationsgewebe).
  • Regenerationsphase, Epithelisationsphase: dabei wird die Wunde an der Oberfläche durch Epithelisation geschlossen (Deckgewebe der Epidermis als Epithelgewebe).

Wundbehandlung

Erste Hilfe

  • Blutstillung (Kompression, Gefässnaht, Ligatur)
  • Ruhigstellung (von Extremitäten mittels Schiene, Vakuum)
  • Keimarme oder keimfreie Abdeckung
  • Schmerzbekämpfung (wie Analgesie, Betäubung)
  • Schockprophylaxe

Wundabdeckung / Wundverschluss

  • Annähern (Adaptieren) mit Pflasterzügen z. B. Steristrip, Leukostrip
  • Nähen (mit diversen Stichtechniken)
  • Klammern oder Kleben

Tetanusprophylaxe, innerhalb von zwölf Stunden (bei nicht vorhandenem Schutz, wenn der Patient, mindestens 5 Jahre nicht gegen DI-Te geimpft worden ist).

Einflussfaktoren auf die Wundheilung

Grundsätzlich hängt der Wundheilungsverlauf von der Art, Grösse und Tiefe einer Wunde ab. Darüber hinaus beeinflussen noch zahlreiche weitere Faktoren die Heilung, wie z. B.:

  • Lebensalter, Ernährungsstatus, Lebensumstände des Betroffenen
  • Begleiterkrankungen (z. B. DM, Immunerkrankungen, Tumore)
  • Arzneistoffe (z. B. Antikoagulanzien, Immunsuppressiva)
  • Lokalisation der Wunde (tiefere Schichten, Gelenknähe)
  • Fremdkörper (z. B. Nekrosen, Reste von Verbandmaterial)
  • Feuchtigkeit, Temperatur und mechanische Belastung

Wundheilungsstörung

Die häufigste und schwerwiegendste Wundheilungsstörung ist die Wundinfektion. Diese ist charakterisiert durch:

  • Rötung (rubor)
  • Schwellung (tumor)
  • Überwärmung (calor)
  • Schmerzen (dolor)
  • Funktionseinschränkung (functio laesa)

Zusätzlich zu diesen Entzündungszeichen treten zur Infektion andere Infektionszeichen wie:

  • Bildung von Eiter oder grossen Exsudatmengen
  • Wundgeruch
  • blassrosa Granulationsgewebe
  • Spontan oder bei leichtem Kontakt blutendes Granulationsgewebe

Bei schwerwiegenden Wunden können sogar systemische Anzeichen auftreten, wie:

  • Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl
  • Erhöhung der laborchemischen Entzündungszeichen wie Leukozyten oder CRP-Anstieg

Wunddokumentation

  • Eine zuverlässige Dokumentation der Beobachtungen und Therapiemassnahmen in der Wundbehandlung ist von grosser Wichtigkeit, einerseits zur Qualitätssicherung und anderseits als Wirksamkeitsnachweis.
  • Eine fotographische Wunddokumentation (mit Patientenzustimmung) kann eine sinnvolle Ergänzung zur schriftlichen sein.

Massnahmen bei der Wundinfektion: Nur eine saubere Wunde kann heilen!

  • Nassphase mit einem Antiseptikum
  • Wundauflagen mit Silber oder Polyhexanid verwenden
  • Keine Okklusion
  • Täglicher Verbandwechsel für eine gute Verlaufskontrolle
  • Gegebenenfalls Antibiotika

Wundreinigung (Debridement)

Die optimale Wundheilung kann nur stattfinden, wenn alle entzündungsfördernden Fremdkörper aus der Wunde entfernt werden.

Wundpflege

  • Grundsätzlich Wunde gut und sorgfältig mit sterilem Material reinigen und desinfizieren.
  • Wichtig ist auch eine Druckentlastung bei z. B. eingeschränkter Mobilität oder bei Körperverletzungen an druckexponierten Stellen (wie Füsse, Gesäss, Ellbogen).
  • Bewegungsfördernde Massnahmen zur Förderung der Eigenaktivität und Mobilität sind nicht zu unterschätzen.
  • Eiweiss- und vitaminreiche Ernährung ist für die Wundheilung von grosser Bedeutung.
  • Grundvoraussetzung für das Zellwachstum in einer Wunde ist ein physiologisches (feuchtes und warmes) Milieu.

Feucht behandelt werden vor allem

  • Offene, chronische Wunden, welche eine sekundäre Wundheilung benötigen.

Trocken behandelt werden

  • Geschlossene Wunden, wo eine primäre Wundheilung erfolgt (z. B. Operationsnähte)
  • Bagatellverletzungen (z. B. kleine Schnitte, kleine Schürfungen)
  • Mumifizierte Nekrosen an den Zehen (z. B. bei pAVK)

Wundauflagen

Primärverbände (Wundfüller) für tiefe Wunden sind z. B.:

  • Suprasorb A, Suprasorb A+Ag, Suprasorb X, Suprasorb G Gel, Lomatuell H

Sekundärverbände werden als Abdeckung in Kombination mit Primärverbänden verwendet. Das sind z. B.:

  • Suprasorb P, Suprasorb H, Suprasorb G, Vliwazell, Vliwasorb, Vliwaktiv, Vliwaktiv Ag, Solvaline N, Metalline, Gazin

Wundauflagen für die trockene Wundversorgung

  • Mullkompressen (Gazin), Gewebe aus Baumwolle mit Saugfähigkeit
  • Indikation: Primärversorgung von Akutwunden, zur Reinigung der Wunde

Wundauflagen für die feuchte Wundversorgung, bei z. B.:

  • Sekundär heilenden Wunden, wenn sie exsudierend und oberflächlich bis tief sind
  • Chronischen Wunden: z. B. Ulcus cruris, Dekubitus, diabetische Ulzera
  • Akuten Wunden: z. B. Riss-, Schnitt- und Schürfwunden, Verbrennungen 2. Grades
  • Traumatischen Wunden und Wunden, die zur Blutung neigen, wie z. B. nach chirurgischem oder mechanischem Debridement
  • Post-chirurgischen Wunden, z. B. Spalthautentnahmestellen
  • Dazu geeignet sind: Alginate (wie Suprasorb A, Suprasorb A+Ag), Hydrogel (Suprasorb G), Kollagen (Suprasorb C) und HydroBalance Wundauflage (z. B. Suprasorb X), Hydrokolloid (z. B. Suprasorb H), Schaumstoff (z. B. Suprasorb P), Folie (z. B. Suprasorb F)

Spezialkompressen

  • Nicht verklebende Spezialkompressen (wie z. B. Solvaline N und Metalline)
  • Aktivkohle-Kompressen (wie z. B. Vliwaktiv bei stark exsudierenden, übel riechenden Wunden ohne Infekt wie exulzerierenden Tumoren; Vliwaktiv Ag für stark exsudierende, infizierte, übel riechende Wunden, wie infiziertes Ulcus)
  • Superabsorber (z. B. Vliwasorb) bei stark exsudierenden Wunden, anwendbar unter Kompressionsverbänden.

Eine Wundheilung kann sich unter Umständen sehr schwierig und lang gestalten. Insbesondere bei älteren Patienten oder bei chronischen Erkrankungen mit z. B. Immunschwäche, Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen. Dann ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und  Spezialisten sehr wichtig und wertvoll.

«Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin» (Mark Twain)