Der Schmerz, mehr als ein Symptom
Am Alltag und in der Praxis sind wir sehr häufig mit einer Schmerzkrankheit konfrontiert.
Wer kennt Schmerzen nicht aus eigener Erfahrung? Knieschmerzen nach einem Fehltritt, Halsschmerzen nach einer Entzündung, Kopfschmerzen nach einer langen Reise, Rückenschmerzen nach Lasten tragen oder nach einem Sturz…
Schmerz ist ein sehr komplexes Phänomen, das immer ein „unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis“ beinhaltet.
„Der Mensch ist ein in sich geschlossenes Universum.“
Man unterscheidet zwischen akutem und chronischem Schmerz.
Von chronischem Schmerz sprechen wir, wenn das Schmerzerleben mehr als 3 bis 6 Wochen andauert und eine Reihe physiologischer sowie psychologischer Veränderungen stattgefunden hat.
Chronische Schmerzen können meist nicht vollständig durch einen somatischen Befund oder ein Korrelat erklärt werden.
„Einem verzweifelten Menschen Mut zusprechen ist besser als ein Königreich erobern.“
Akuter Schmerz kann durch die Behebung entsprechender Ursachen (wie z.B. Verletzung oder Entzündung) behandelt werden, wodurch eine relativ rasche Schmerzfreiheit wiederhergestellt wird. Schmerz hat meistens eine Bedeutung als Wahrsignal und oft auch Schutz vor weiteren Gefahren.
Selbst akuter Schmerz beinhaltet praktisch immer eine psychische Komponente. So gehen mit Schmerzen immer eine emotionale Erfahrung (z.B. Wut, Angst oder Trauer), eine kognitive Bewertung (z.B. als gefährlich oder unangenehm) und ein Verhaltensimpuls (z.B. sich zu schonen) einher.
Auch bei akutem Schmerz beeinflussen psychische Faktoren die Schmerzintensität und das darauffolgende Verhalten (z.B. Schonung oder Rückzug) sowie das Verhalten der Mitmenschen (z.B. Rücksichtnahme oder Mitgefühl).
Es gibt eigentlich kein Schmerzzentrum im Gehirn, sondern vielmehr ein ganzes Netzwerk von Hirnarealen die unter Umständen das Phönomen Schmerz als Gesamtoutput haben.
Die Art und Weise wie Schmerz wahrgenommen wird, hängt vom Zusammenspiel der Hirnregionen ab.
Sowohl die Intensität der Verbindungen, die Dominanz verschiedener Areale, die Verarbeitung der Informationen und damit auch das Outcome sind daher immer individuell.
In dieser Komplexität der sich gegenseitig beeinflussenden Verbindungen, zeigt sich die Vielschichtigkeit von chronischem Schmerz und daher auch der möglichen Behandlungsoptionen.
Wichtig zum wissen:
– > Schmerzempfindung ist ein zentrales Erleben – > Es gibt kein Schmerzzentrum im Gehirn.
Egal wo der Schmerz herkommt – > Schmerz ist immer real.
Psychosoziale Faktoren spielen also bei allen Arten von Schmerz eine wesentliche Rolle und sind bei chronischem Schmerz sogar noch zentraler. Chronische Schmerzen können daher meist im Rahmen eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells angemessen verstanden und behandelt werden.
Deshalb ist in der Therapie chronischer Schmerzen die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin, Physiotherapie, Psychologie und anderen Arbeitsgruppen (wie z.B. Sozialarbeit oder Ergotherapie) zentral.
So können sich verschiedene psychotherapeutische, physiotherapeutische sowie andere alternativmedizinische Methoden positiv auf die Schmerzintensität und Lebensqualität auswirken und sollten möglichst frühzeitig in die Therapie chronischer Schmerzen einbezogen werden.
«Sei wie ein Fels. An dem sich beständig die Wellen brechen! Er bleibt stehen, während sich rings um ihn die angeschwollenen Gewässer legen» (Mark Aurel)
Zu einer erfolgreichen Schmerztherapie gehört zudem eine Diagnose des Schmerzmechanismus. Ist eine nozizeptive (z.B. Schädigung eines Gewebes), eine inflammatorische (z.B. Entzündung eines Gewebes) oder eine neuropathische (Verursacher des Schmerzsignals sind die Schmerzfasern selbst).
Eine Hyperalgesie wird definiert als ein Zustand, während welchem ein normalerweise schmerzhafter Reiz als noch viel schmerzhafter empfunden wird. Als Extremform dieses Zustands gilt die sog. Allodynie, bei welcher selbst ein normalerweise nicht schmerzhafter Reiz als schmerzhaft empfunden wird.
Am weitaus häufigsten treffen wir auf ein Bild mit einer Mischung aus verschiedenen Schmerzformen, sog. „Mixed Pain“. Dabei sind sämtliche Mechanismen an der Entstehung respektive Modulierung des Schmerzsignales beteiligt.
Folgende Beispiele zeigen mögliche und häufig eingesetzte Wirkstoffe oder Stoffklassen zur Behandlung der verschiedenen Schmerzmechanismen.
- Antinozizeptiv: Lokalanästhetika, Opiate, Ketamin hochdosiert
- Antiinflammatorisch: COX-1 und 2-Hemmer, Kortikoide, ev. Lokalanästhetika
- Antihyperalgetisch: Ketamin niedrigdosiert, Capsaicin topisch, ev. Paracetamol
- Antineuropatisch: Antiepileptika (Gabapentinoide, Natrium- und Kalziumkanalblocker), Trizyklische Antidepressiva, Ketamin niedrigdosiert.
Erst die richtige Kombination von geeigneten Medikamenten resp. Stoffklassen basierend auf den 4 Säulen der medikamentösen Schmerztherapie und der bio-psycho-sozialen Berücksichtigung, führen zu einer möglichen Lösung des Schmerzproblems.
Übrigens:
- Für etwa ein Drittel der Patienten, die in Praxis behandelt werden, lassen sich keine direkte oragnischen Ursachen finden, die ihre mitunter heftigen Beschwerden erklären können.
- Die meinsten von ihnen sind Schmerz-Patienten, die vor allem unter Rückenschmerzen leiden.
Ursachen für Rückenschmerzen sind hauptsächlich Muskelverspannungen, Überbelastungen durch z.B. falsche Bewegung, Fehl-Belastung oder Fehl-Haltung und damit nicht Veränderungen an der Wirbelsäule oder eine Krankheit.
Oft trägt der Rücken oder der Nacken den Schmerz der Seele.