Wandern: mehr als Gehen

April 1, 2024

Beim Wandern kommen mir sehr viele Gedanken. Es ist wie ein Fluss von Gedanken. Die Harmonie mit dem aus den Bergen fliessenden Wasser. Verschiedene Übergänge der Berge, Wälder, Wiesen, der Farben und Töne. Die Wolken, welche die Erde mit dem Himmel verbinden. Die singenden und tanzenden Vögel rundherum. Die Kuhglocken.

Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt (orientalisches Sprichwort)

Gleichzeitig höre ich meine eigenen Schritte am Boden, spüre die frische Luft und die Sonnenstrahlen im Gesicht und an den Händen.

Dann bekomme ich das Gefühl, Teil der Natur und der Erde zu sein. Ich spüre, wie mein Körper und Geist im Gleichgewicht mit dem Kosmos mitgehen. Alle Elemente, welche in mir sind, sind Teil der Natur. Sie erkennen einander und schwingen mit.

Die schönen Dinge siehst du nur, wenn du langsam gehst (Hämin Sunim)

Ich kann das fühlen, spüren, sehen, riechen…Einige meiner Wahrnehmungen kann ich anderen zeigen und beschreiben, andere nicht. Zum Beispiel das Riechen. Ich kann beschreiben, wie ich die Erde rieche, aber ich kann nicht genau ausdrücken, wie stark sie riecht und welche Geruchsnoten ich wahrnehme. Bei den Farben ist es einfacher. Ich kann sagen, welche Farbe und welchen Farbton ich sehe, aber auch hier kann die eigentliche Wahrnehmung individuell und situativ unterschiedlich sein.

Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemanden überholt werden (Marlon Brando)

All diese Wahrnehmungen machen auch das Lebensgefühl aus. Dazu kommt die Lebensgeschichte, wo man geboren und aufgewachsen ist, und unter welchen Bedingungen man lebt. Die Wahrnehmung ist häufig mit Erinnerungen assoziiert. Sie kann ein gutes, angenehmes Gefühl hervorrufen oder ein schreckliches Erwachen.

Es gibt ein bekanntes türkisches Sprichwort: „Ne ekersen onu biçersin“, das so viel bedeutet wie „Was du säst, erntest du.“ Als Kind hört man in der Schule etwa: „Was man lernt und mit Noten erreicht, bringt einen für die Berufswahl weiter. Was man in der Jugend erreicht, bekommt man in der Lebensmitte in seiner Berufswahl. Was man dann in diesem Beruf erarbeitet, verdient und investiert, erntet man im Alter“.

Selbstverständlich gibt es hier auch Ausnahmen. Man kann sehr reich geboren werden und sehr arm sterben, obwohl das ganze Leben auch anders hätte verlaufen können.

Die kollektive Wahrnehmung der Leute hängt auch ab von ihrer Erziehung, Kultur, Religion und von Werten, die beeinflussen, wie und was man mitbekommt. Ein Beispiel aus diesen Tagen: Wie und was man jeden Tag in den Medien von gewissen Ländern hört, wird von jedem anders wahrgenommen.

Roger Federer ist mit seiner hervorragenden sportlichen Leistung der König der Könige im Tennis. Vor allem seine Fans oder die Leute, die seinen Erfolg mitbekommen und anerkennen, bejubeln, loben und lieben ihn…Was für ein Lebensgefühl!

„Der ganze Reiz und die ganze Schönheit des Lebens setzen sich aus Licht und Schatten zusammen“ (Lew N. Tolstoi)

Fortsetzung….im Winter

Es wurde Abend. Die Sonne begann hinter der gegenüberliegenden Bergspitze zu versinken, sich zu verabschieden und mit ihren letzten Strahlen vor meinen Augen zu verschwinden. Als ich mit der Bahn hochfuhr und in der nächsten Station ausstieg, konnte ich erneut beobachten, wie die Sonne unterging. Dabei erinnerte ich mich an meine vorherigen Gedanken über den Sonnenuntergang und gab der Sonne meine negativen Gedanken nochmals mit.

Es wurde mir wieder bewusst, dass man den Untergang der Sonne sehr unterschiedlich erleben kann. Es hängt davon ab, auf welcher Höhe man ist, wo man lebt, welche Wetterverhältnisse gerade herrschen. So kann man den Tag kürzer oder länger erleben oder durch den Ortswechsel etwas verlängern, aber irgendwann wird das Tageslicht gelöscht.

Einige haben das Glück, ein Leben lang auf der Sonnenseite zu sein, und andere haben das Pech, auf der Schattenseite zu sein. Mit einiger Anstrengung und Willenskraft kann man trotzdem den Nebel übersteigen und die Lage wechseln. Dies trifft auf viele Lebenslagen und Altersabschnitte zu.

Nur wer sich auf den Weg macht, wird neues Land entdecken

So kämpfen einige, um zu überleben, während andere erheblich in „Better-Aging“ oder gar „Anti-Aging“ investieren, d.h. in ein besseres, ja ewiges Leben.

Der Wunsch, ewig jung zu bleiben und das Altwerden so lange wie möglich hinauszuzögern, begleitet den Menschen, seit es ihn gibt. Das gilt vor allem für die Menschen, welche genug zu essen haben und ein Dach über dem Kopf besitzen.

Bereits vor 1500 v. Chr. wurden in Ägypten medizinische Massnahmen empfohlen, um das Altern zu verlangsamen. Es gab bereits Mittel gegen Haarausfall, Altersflecken, Körperbehaarung und Mundgeruch. Die ägyptische Königin Kleopatra gilt als berühmteste Verfechterin von Körperpflege und Schönheit. Laut Überlieferungen badete sie täglich in Eselsmilch und trug Honig auf ihre Haut auf.

Dank des medizinischen Fortschrittes können die Menschen in der heutigen Zeit mit einer verlängerten Lebenserwartung rechnen und somit den Sonnenuntergang von einer höher gelegenen Ebene aus geniessen.

Dennoch lassen sich die mit dem Alter verändernden Funktionen des Körpers nicht aufhalten. Die Sonne verschwindet.

Im Alter nimmt der Fettanteil am Körper zu, der Anteil an Magermasse und Flüssigkeit nimmt ab. Somit kann die Homöostase schnell gestört werden.

Eine Beeinflussung des Alterungsprozesses scheint jedoch tatsächlich möglich zu sein. Dem Biochemiker Prof. Dr. Hartmut Geiger in Deutschland ist es erstmals gelungen, adulte Blutstammzellen zu verjüngen und damit die Zellalterung bei Mäusen aufzuhalten. Durch die Hemmung der Aktivität eines bestimmten Proteins wurde die Reorganisation in der Zelle verbessert und damit die Verjüngung der gealterten Blutstammzelle in die Wege geleitet. Im klinischen Alltag ist dies noch lange nicht detailliert umsetzbar.

Das Leben soll nicht primär unendlich verlängert werden, sondern in allen Phasen des Lebens durch möglichst hohe Qualität gekennzeichnet sein: Die Sonnenstrahlen im Alltag sehen zu können und den Sonnenuntergang möglichst zu geniessen. Mit Better-Aging (besseres Altern) wird heute das Ziel verfolgt, die Fähigkeiten der Zellen zu optimieren, um gesund alt zu werden. Der Lebensstil dient dafür als Basis. Nicht nur unter dem Nebel sitzen bleiben, sondern hoch auf die Berge streben, zum Wandern und um den schönen Sonnenuntergang zu geniessen.

„Das Leben ist ein Spiegel, wenn du hineinlächelst, lächelt es zurück“ (G. Bernhard Shaw)

… wende Dein Gesicht der Sonne zu und Du lässt den Schatten hinter dir…

Beim Wandern in den Bergen lassen sich die Gedanken gut ordnen und bearbeiten. Sie können sich setzen. In solchen Momenten bekommt man oft Klarheit über eine unklare Situation im Alltag, und es entstehen neue Ideen.

Mit anderen Worten: Man kann den Kopf lüften (z.B. durch den Wind), Hitzegefühle abkühlen lassen (z.B. durch die Kälte), Spannungen entladen (durch das Berühren von fliessendem Wasser, Schnee, Eis oder Erde), Energie auftanken (durch die wunderbaren Sonnenstrahlen) und Helligkeit geniessen.

Die prächtigen Farben der naturbelassenen Wiesenpflanzen und Alpenrosen wirken dann wie Balsam auf die Seele.

Blicke in die schöne Natur und beruhige dein Gemüt (Ludwig Van Beethoven)

Die Höhe schafft auch eine gewisse Distanz vom alltäglichen Stadtleben und bringt Weitsicht über die Landschaft hinaus, wo Himmel und Erde einander näherkommen und sich umarmen.

Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele

und

je härter der Aufstieg, desto schöner die Aussicht.

 

Fortsetzung mit einigen schönen, guten Sätzen:

 

Las los, was dein Herz und deine Geist belastet.

Lass los, was deinem Herz und deineer Seele nicht gut tut.

Wenn du fliegen willst, musst du Dinge loslassen, die dich runterziehen.

 

Beim Wandern kann man Gedanken gut fliessen lassen, über Älterwerden philosophieren, weitere Naturphänomene beobachten.
Alt werden, ist wie auf einen Berg steigen, je höher man hinaufkommt, desto mehr Kraft wird gebraucht, aber umso weiter sieht man.