Schlafstörung, mehr als eine Qual

Dezember 20, 2021

«Gut schläft, wer gar nicht merkt, dass er schlecht schläft» (Publilius Syrus)

Warum schläft der Mensch überhaupt?

Der Schlaf ist für den Menschen aus verschiedenen Gründen wichtig: Einerseits braucht der Körper diese Ruhephase für Auf- und Umbauprozesse im Stoffwechselprozess. Andererseits benötigt das Gehirn den Schlaf, um Erlebnis zu verarbeiten, während man träumt.

Ein guter Schlaf ermöglicht also zugleich eine körperliche sowie eine geistige Erhohlung und ist Voraussetzung für das allgemeine Wohlbefinden.

Wieviel Schlaf braucht der Mensch?

Das Schlafbedürfnis variiert mit dem Alter. Ein Neugeborene schläft etwa 16 Stunden pro Tag. Kinder Zwischen 2-4 Jahren brauchen rund 12 Stunden Schlaf und mit etwa 20 Jahren hat ein Mensch ein Schlafbedüfnis von ca. 7-9 Stunden pro Tag. Eingerechnet in diese Schlafzeit ist auch der Mittagschlaf. Knapp ein Viertel der Erwachsenen in der Schweiz schläft nachts 7 Stunden. Weitere 25% schlafen je 6 oder 6.5 Stunden und jeweils 15% kommen auf einen Nachtschlaf von 7,5 oder 8 Stunden. Auffällig ist eine deutlich verlängerte Schlafdauer an freien Tagen. Mehr als 10% schlafen dann länger als 10 Stunden.

Die Schlafsteuerung

Der Schlaf wird von äusseren Faktoren (z.B. Helligkeit und Lärm) sowie von inneren Faktoren (Melatonin und Adenosin) gesteuert. Im Laufe des Tages steigt die Konzentration von körpereigenem Adenosin im Blut kontinuierlich an. Mit diesem steigt der Schlafdruck, wodurch man müde wird. Die Adenosinkonzentration nimmt dann während des Schlafes wieder ab. Mit zunehmender Dunkelheit wird das Hormon Melatonin im Blut freigesetzt und setzt das Zeitfenster, in dem wir schlafen können.

Bei einer Reise in eine andere Zeitzone wird klar, welchen Einfluss das Licht auf unseren Schlaf-Nacht-Rhythmus hat. Bei einem sogenannten Jetlag, benötigt unser Organismus einige Tage, um sich an die verschobene Abfolge von Tag und Nacht anzupassen.

Häufigkeit der Schlafstörungen

Die meisten Menschen möchten schnell einschlafen, gut durchschlafen und morgens «voller Elan» und fit erwachen. Mehr oder minder ausgeprägte Störungen des Schlafes sind ein häufiges, vom Patienten subjektiv wahrgenommenes und beurteiltes Phänomen.
Wer nicht jeden Morgen gut erholt aufwacht, empfindet das häufig als Schlafstörung. Die Häufigkeit des Auftretens in der Bevölkerung ist letztlich davon abhängig, wie man Schlafstörung definiert. Die meisten Studien belegen jedoch:

  • Gemäss dem schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan 2017) leiden 32,7 % der schweizerischen Gesamtbevölkerung an schwachen bis starken Ein- oder Durchschlafstörungen. Andere Studien zeigten, dass in der Schweiz 683 000 Erwachsene klagen über Schlafstörungen. Damit rangiert die Insomnie auf Platz 3 der Hirnerkrankungen hinter den Kopfschmerzen (über 2 Mio.) und den Angststörungen (über 1 Mio. Betroffene).

Weitere Quellen zeigen:

  • 10-15% der Bevölkerung leiden an behandlungsbedürftigen Schlafstörungen
  • über 50% der Frauen mittleren Alters beklagen sich über Schlafstörungen
  • 50% der Schlafstörungen dauern mehr als 5 Jahre

Ursachen der Schlafstörung

Psychische Belastungen und psychiatrische Erkrankungen zählen zu den wichtigsten (potenziell beeinflussbaren) Risikofaktoren. Darüber hinaus erhöhten zunehmendes Alter und weibliches Geschlecht das Risiko, sich mit Schlafstörungen konfrontiert zu sein.  Nicht nur Stress und Anspannung sind schuld. Weitere Ursachen, welche mit einer schlechten Schlafqualität assoziert sind:

  • Psychologisch: Stress, Lebensereignisse (Beruf und Familie), schwere Krankheiten
  • Psychiatrisch: Depressionen, Angsterkrankungen, Suchterkrankungen, dementielle Erkrankungen, Schizophrenie
  • Neurologische Erkrankungen: Restless-Legs-Syndrom, periodische Beinbewegungen
  • Physiologisch (circadian): Jetlag, Schichtarbeit, Kurzhospitalisation, Schlafphasensyndrom
  • Internistische Erkrankungen: Herz-Lungen-Leiden, Schilddrüsenüberfunktion, Rheumatologische Erkrankungen mit Schmerzen
  • Gynäkologische Ursachen: Menstruation, Schwangerschaft, Menopause, Hormonmangel, Hormontherapie
  • Umwelt wie Lärm- und Licht-Emissionen

Schlaf ist sowohl für die körperliche als auch für die psychische Gesundheit lebenswichtig.

Folgen von Schlafstörungen

  • Tagesmüdigkeit
  • Verstimmungen, Reizbarkeit
  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • Beeinträchtigung der Psychomotorik
  • Gestörtes Sozialleben
  • Erhöhtes Risiko für Unfälle und Depressionen

Unbehandelte Schlafstörungen können zu folgenden psychischen Störungen führen, d.h. als relevante Komorbiditäten gemäss ICD-10 treten folgende Störungen auf:

  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Substanzstörungen

Diagnostische Kriterien

  • Depression und Schlaf hängen zusammen. Die Inzidenz der Depression steigt von 2.4% auf 11.3% an, wenn Schlafstörungen vorliegen.
  • Ein- und Durchschlafschwierigkeiten oder nicht erholsamer Schlaf seit mindestens einem Monat, wenigstens 3x/Woche.
  • Verursacht Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Nach ICD-10 werden Schlafstörungen je nach vermuteter Ursache (psychogen versus organisch) klassifiziert unter

  • F51 nichtorganische Schlafstörungen (Kapitel Psychische und Verhaltensstörungen) oder
  • G47 (organische) Schlafstörungen (Kapitel Krankheiten des Nervensystems)

Therapie von Schlafstörungen: Störfaktoren erkennen und eliminieren

  • Behandlung der Grunderkrankung
  • Veränderung der Schlafhygiene wie
    • Regelmässigkeit (zur gleichen Zeit zu Bett gehen und zur gleichen Zeit am Morgen aufstehen).
    • Einschlafritual: Monotonie hilft beim Einschlafen (wie Geschichten hören). Gedanken loswerden durch z.B. kurze Meditation.
    • Lieber aufstehen und lesen als sich stundenlang im Bett wälzen. Vom Grübeln ablenken, durch z.B. Schäfchenzählen.
    • Paradoxie: Ich habe Zeit zum Einschlafen. Den Zeitdruck vermeiden.
    • Frische Luft, Zimmer lüften. Blaues Licht (wie Smartphone, Tablet, Natel) ausknipsen.
    • Kaffee, Nikotin– und Alkoholkonsum beschränken, schwere Mahlzeiten am Abend vermeiden.
  • Bei unruhigen Nächten können auch pflanzliche Arzneimittel mit Baldrian, Hopfen, Lavendel, Melisse oder Passionsblumenkraut helfen.
  • Pharmakologische Therapiestrategien mit dem Arzt besprechen.

Wussten Sie, dass der weltweit bekannte Dermatologe, Herr Dr. Hulusi Behcet (1889-1948) unter chronischen Schlafstörungen litt und an Herzleiden starb?

«Der Schlaf sei das tägliche Brot deiner Seele.» (Carl Ludwig Schleich)

Weiter für die interessierten LeserInnen

Schlaf mehr als ein Zustand der äusserlichen Ruhe
• Nach einer erholsamen Nacht mit gutem Schlaf startet man fit und voller Energie in den neuen Tag.
• Neuere Studien zeigten, dass es im Schlaf nicht nur zu einer Energieeinsparung kommt, sondern v. a. im Tiefschlaf in einigen Hirnarealen zu einer deutlichen Energiespeicherung.
• Der gute Schlaf unterstützt das funktionierende Gedächtnis. Wissenschaftler haben mehrere Zusammenhänge zwischen Schlaf und Gedächtnis bestätigt.
• Im Wachzustand werden synaptische Neuverknüpfungen gebildet, und im Tiefschlaf werden solche Verschaltungen vertieft.
• Oft werden Probleme während des Schlafs gelöst.
• Wenn die Nachtruhe gestört ist, leiden tagsüber Stimmung und Konzentration.
• Fas jeder dritte Erwachsene leidet in den Industrieländern unter Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten.
• Viele Menschen können wegen äusserer Störquellen oder aus gesundheitlichen Gründen schwer zur Ruhe kommen.

Was sind weitere häufige Schafkiller?
• Stress wie ständiges Multitasking
• Leistungs- und Zeitdruck
• Medikamentenkonsum und Bildschirmarbeit
• Nahrungs- und Genussmittel
• Gestörter Rhythmus
• Unbehandelte Erkrankungen
• Ängste, Sorgen, Kümmern

Deshalb
• Schlaf soll eine wohlverdiente Pause sein
• Das Schlafzimmer soll eine Auszeit vom hektischen Alltag bieten.
• Nachtmodus im Laptop, Smartphone
• Schlafzimmer ist kein Arbeitsort

Weitere Pathologie des Schlafes
• Schlafapnoe
• Restless-Legs-Syndrom
• Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung
• Narkolepsie
• Tödliche familiäre Schlaflosigkeit
• Bruxismus
• Schlafentzug durch Stimulanzien
• Schlafentzug als Folter oder Strafe
• Posttraumatische Belastungsstörung

Dazu wichtig zu wissen
• Wir verbringen ungefähr ein Drittel von unserer Lebenszeit im Schlaf
• Wir erholen uns, unser Körper regeneriert im Schlaf.
• Das individuelle Schlafbedürfnis des Erwachsenen schwankt etwa zwischen sechs und zehn Stunden
• Extreme treten bei Säuglingen auf, die 14 bis 17 Stunden schlafen (über den Tag verteilt), und bei alten Menschen, deren Schlafbedürfnis geringer ist („senile Bettflucht“).

Autosuggestion beim Schlafen gehen:
«Ich kann gut ein- und durchschlafen. Ich kann meine Sorgen loslassen, ich stehe morgen unbeschwert auf und kann meinen Tag gut meistern».

Links zum Thema:
Zentrum für Schlafmedizin: hirslanden.ch