Essen als Lebensenergie

Dezember 7, 2016

Essen ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. In den wirtschaftlich entwickelten Ländern ist aber häufig das zu viel Essen ein Thema. Überflüssiges, ungesundes Essen führt zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen wie Übergewicht (Adipositas) oder Blutzuckerkrankheit (Diabetes) und ist ein Risikofaktor für verschiedene weitere chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-, Nieren-, Leber- und Magen-Darm-Krankheiten.

Schon in der Antike war bekannt, dass man nicht lebt, um zu essen, sondern eher isst, um zu leben (Sokrates, 470-399 v. Chr.). Diese Aussage hat nichts an Aktualität und Bedeutung verloren, insbesondere wenn man wegen verschiedener Leiden nicht mehr essen kann. Man denke etwa an die sog. Tumorkachexie, die mit viel Leiden und Verlust der Lebensenergie verbunden ist. Die Patienten möchten gerne essen, können es aber nicht mehr. Die Angehörigen und Betreuenden wiederum fühlen sich hilflos, weil sie den Patienten das Essen nicht ermöglichen können.

Ein relativ junger Patient mit metastasierendem Magenkarzinom im terminalen Stadium sagte mir immer wieder, dass er sich erholen würde, wenn er etwas essen könnte. Da der ganze Magen-Darm-Trakt durch den Tumor verstopft war, wurde der Patient parenteral (durch Infusion) ernährt, und er klagte ständig über massive Hungergefühle. Sobald er aber etwas Kleines schluckte, kam wieder alles durch den Mund heraus. Es ist sehr schmerzhaft, solche Patienten mitzuerleben.

Die Tumorkachexie ist ein multifaktorielles Syndrom, welches definiert ist als ein zunehmender, anhaltender Verlust der skelettalen Muskelmasse (mit oder ohne Verlust der Fettmasse), was zu Gewichtverlust führt. Es kommt dabei zu einer negativen Protein- und Energiebalance. Die Folge davon ist eine fortschreitende körperliche und ev. geistige Funktionseinschränkung.

Eine Mangelernährung und Kachexie des Tumorpatienten sollte frühzeitig erkannt und behandelt werden, da die chronische Kachexie nicht mehr beeinflussbar ist. Insbesondere hat der Muskelverlust auch in der Antitumortherapie eine ausgeprägte Bedeutung für das Überleben und die Lebensqualität. Mit mehr Muskelmasse können die Mobilität und Selbständigkeit des Betroffenen länger erhalten bleiben.

Die Behandlungsstrategie sollte individuell sein und multimodal in enger Zusammenarbeit mit allen beteiligten Fachkräften wie Spitex, Hausarzt und Fachspezialist abgestimmt werden. Zudem könnte eine psychologische Begleitung bei Tumorkachexie von grosser Bedeutung sein, insbesondere, wenn die Angehörigen sich hilflos fühlen, weil sie in der schwierigen Situation helfen möchten und nicht helfen können.

Zusammen mit dem Betroffenen und den Angehörigen soll geklärt werden, was sich ändern müsste, damit die Situation besser und erträglicher wird. Im gemeinsamen Gespräch entstehen dann oftmals Ideen, was konkret im Alltag angepackt und realisiert werden müsste.

Wie in anderen therapeutischen Settings ist es wichtig, dass Lösungen gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet und nicht einfach Tipps abgegeben werden. Dann besteht die Chance, dass angestrebte Veränderungen auch umgesetzt und letztlich zu einer Reduktion des Leidensdrucks und einer Verbesserung der Lebensqualität führen.